Dieser Beitrag ist jetzt ein gänzlich anderer als ihr ihn von mir kennt. Ich werde ihn auch nicht auf meine sonst schnoddrige, frei nach Schnauze denkende Art schreiben. Dieser Beitrag soll zum Nachdenken anregen. Und wer ein Problem mit dem Tod oder Pflege hat, der sollte jetzt hier aussteigen und nicht mehr weiterlesen.
Wie im Titel schon erwähnt geht es um das Thema Hospiz und um meine persönliche Erfahrung. Gleich vorab. Ich habe eine sehr positive Einstellung zu dieser Einrichtung. Nicht nur weil ich vor zwei Monaten meine Abschluss in Palliativ Begleitung gemacht habe, sondern weil ich auch schon vorher Palliativ in meiner Heimzeit gearbeitet habe.
Außerdem möchte ich ein bisschen aufklären, denn es gibt genug Leute da draußen die glauben das ein Hospiz ein dunkler, leiser und vor allem trauriger Ort ist. Und das man aus seiner Bequemlichkeit heraus seinen Angehörigen dorthin abschiebt, weil man keinen Block mehr auf sie hat. Die Erfahrung musste ich leider machen, denn es gab und gibt in meinem Umfeld Menschen die genauso gedacht und mir sogar Vorhaltungen gemacht haben. Dem ist aber nicht so. Ich habe nichts falsch gemacht. Das Hospiz war für mich die allerletzte Lösung.

Warum komme ich gerade jetzt auf das Thema?
Ganz einfach. Einige von auch wissen das ich rund 18 Monate meine Mutter gepflegt habe. Sie hatte zum zweiten mal Krebs. Diesmal ist das ganze leider nicht gut aus gegangen. Vor rund zwei Wochen ist sie verstorben. Einige von euch habe über meine private Situation Bescheid gewusst und auch immer mal wieder nachgefragt.
Als ich im Herbst 2021 erfuhr das der Krebs nach 12 Jahren zurück war, da war mir noch nicht klar was mich alles erwarten und wie viel Kraft mich das ganze Kosten würde.
Die Diagnose ist natürlich ein echter Schock. Egal wie oft Du sie zu hören bekommst jeder Krebs ist eine Premiere, denn bei jedem läuft eine Therapie anders ab. Es gibt Therapien die gehen gut aus. Ich würde aber jedem davon abraten von Heilung zu sprechen, den man kann den Krebs nicht besiegen sondern nur eindämmen. Am Ende hält man ihn nur in Schacht bzw er schlummert im verborgenen. So war es auch bei meiner Mutter. Der Krebs kam in einer anderen Form wieder. Normalerweise gibt es gute Medikamente für ihre Form. So das man noch gut 5 bis 10 Jahre Leben kann. Doch wie schon gesagt. Nicht jede Therapie ist für jeden gedacht. Und so war das auch bei meiner Mutter. Wir mussten nach und nach alle Medikamente wieder absetzten, denn sie hätten sie umgebracht.

Doch was dann? Wie geht es weiter?
Mein Glück ist das ich in der Pflege arbeite und somit nicht ganz dumm dastand, denn leider wird man nur all zu oft in unserem Gesundheitswesen alleine gelassen. Die Erfahrung musste ich auch machen, als ich mit meiner Mutter 12 Stunden in der Notaufnahme saß. Drei Ärzte mit drei verschiedenen Meinungen und keine richtige Hilfe. Nur mal so als Beispiel.
Meine Schwester und ich, wir sind wenn es um unsere Eltern geht ein echtes Team und haben dahingegen an einem Strang gezogen. Denn am Anfang waren wir echt auf uns alleine gestellt.
Das erste was wir organisierten war eine Tagespflege. So das wir beide tagsüber beruhigt zur Arbeit gehen konnten. Da ich selber in einer arbeite weiß ich wie es dort abläuft und das meine Eltern dort gut aufgehoben waren. Am Anfang habe ich auch noch ihre Medikamente selbst gestellt. Jedoch je mehr Aufgaben ich für die beiden übernahm um so mehr Streß war das. Also suchten wir uns einen Pflegedienst. Der erste war eine Pleite. Ich kann euch nur raten, wenn euch Ungereimtheiten auffallen und das mehr als einmal, dann sucht euch lieber einen neuen Pfegedienst. Ich weiß das ist echt schwer, weil fast alle Pflegedienste Personalmangel haben und keine Patienten aufnehmen können. Aber darüber will ich jetzt nicht reden. Wer in dem Job arbeitet weiß wovon ich spreche.
Ich hatte das große Glück, das ich letztes Jahr meinen Arbeitgeber gewechselt habe und so holte ich meine Eltern als Patienten nach. Jetzt lag alles in Sachen Pflege und Hauswirtschaft in deren Hände. Nur der Gesundheitszustand meiner Mutter verschlechterte sich immer mehr.
Irgendwann war ich an dem Punkt das ich das ganze nicht mehr alleine stemmen konnte und so holte ich mir ein SAPV Team ins Boot. Das Palliv Care Team, und wir habe hier ein richtig gutes, übernahm alle medizinischen Versorgungen. Kein Notarzt mehr rufen und rumärgern mehr mit irgendwelchen Mitarbeitern in der Zentrale die einen nur abwimmeln, weil sie keine Kassenärztlichen Notdienst rausschicken wollen. Kein rumärgern mehr in der Apotheke, weil es wichtige Medikamente zur Zeit nicht gibt. Das alles übernahm das Pallicare Team.

Doch irgendwann kam der Punkt wo der Pflegedienst und das SAPV Team nicht mehr reichte. Pflegeheim kam für mich nicht infrage. Ich habe zu lange in Pflegeheimen gearbeitet. Und da, dort der Pflegenotstand am größten ist war klar dorthin geht meine Mutter nur über meine Leiche. Für mich gab es nur eine Lösung Hospiz.
Da meine Mutter eine Tumorerkrankung hat war es leicht einen Antrag zu stellen. Ihr geht auf die Seite eures Hospiz. Ladet den Antrag runter und ab damit zum Arzt, der den Antrag ausfüllt. Wir sind damit unserer Fachärztin gegangen bzw hielten noch Rücksprache mit unserem SAPV Arzt.
Im übrigen können ihr auch bei anderen Erkrankungen einen Hospitzantrag stellen. Mehr dazu erfragt bitte beim Arzt. Das ganze würde hier jetzt zu weit gehen in der Erklärung.
Ganz wichtig, ihr solltet immer mit dem Betroffenen vorher darüber sprechen, denn es ist nicht einfach jemanden klar zu machen das er sein Zuhause zum sterben verlassen muss. Ich habe das schon 2021 getan und das Thema im Laufe der Zeit immer wieder zur Sprache gebracht.
Meine Schwester rief schon vorab im Hospiz an und hatte dort ein sehr nettes Gespräch. Leider sind Hospizplätze sehr rah. In unserer Stadt gibt es nur 10 Plätze und so machten wir uns nicht wirklich Hoffnung das wir schnell einen Platz bekommen. Doch manchmal gibt es noch Wunder. Nur eine Woche später hatten wir einen Platz in dem Hospiz in unserem Klinikum bekommen.

Der erste schwere Gang…
… war es dann meiner Mutter klar zu machen das sie jetzt ins Hospiz ziehen wird. Ich kann nur jedem raten das nicht alleine zu machen. Ich habe das zusammen mit einer Palliativ Schwester, meiner Schwester und meinem Schwager gemacht. Ich erspare euch die Einzelheiten. Das es viele Tränen auf allen Seiten gab kann sich jeder von euch ausmalen.
Meine Erfahrung mit dem Hospiz
Da ich selber sehr offen, freundlich, liebevoll und herzlich mit meinen Schützlinge umgehe setze ich das auch bei anderen voraus. Und ich wurde auch nicht enttäuscht.
Gleich am nächsten Tag zog meine Mutter ins Hospiz und wir wurden von drei fröhlichen, lachenden Schwestern empfangen. Und das war keine aufgesetzte Fröhlichkeit.
Wir wurden in ein helles, freundliches, warmes, phantastisch duftendes Zimmer geführt. Hier gab es nicht nur Bett, Nachtisch, Schrank, Tisch und Stuhl. Sondern auch eine Kommode, ein Sessel, zwei Hocker, ein Liegesessel, Fernseher, Radio und auf der Zimmerterasse standen Gartenmöbel. Mutti und mein Schwager verfrachteten wir mit Kaffee gleich mal in den Garten und in der Zwischenzeit packten wir aus und regelten den ganzen Papierkram. Und alles mit lachen und Spass. Wir hatten ja ein paar persönliche Dinge wie Bücher und zwei Bilder und das Kuscheltier- Schaf Gunnar mit im Gepäck, aber als wir erfuhren das wir das Zimmer so persönlich wie möglich gestalten dürften lud ich eine Stunde später Fotos aus der Cloud hoch und dekorierte das Zimmer eine Woche später mit mehr als 20 verrückten Familienfotos. Wir schleppten den Kamin und den Diffuser von zu Hause an. Mamas Lieblings CDs. Decken und Kissen.
Fasst jeden Tag besuchten die Couchbesetzer Blacky und Vio und Paulchen das Empfangskomitee ihre „Oma“ bzw „Mama“. Ich habe die drei aber immer abwechselnd mitgenommen. Bis auf einmal, da waren sie alle drei vor Ort. Ja Tiere sind im Hospiz erlaubt. In unseren gab es auch ein Schaf. Das Mama gleich am ersten Tag auf den Schoß bekam. Was sie sehr lustig fand. Überhaupt ist dort so ziemlich alles erlaubt. Wir habe dort zusammen gegessen. Lieblingsgerichte mitgebracht. Eiskaffee getrunken und vieles mehr.
Überhaupt ist so ein Hospiz ein heller freundlicher Ort. Hier wird viel gelacht. Man geht auf die Bedürfnisse der Patienten und Angehörigen ein. Man nimmt sich einfach Zeit. Eigentlich haben ja die wenigsten noch Zeit. Viele Patienten sind nur ganz kurz da. Meine Mutter war vier Woche da. Vier Wochen in denen sie sich einlebte und auch die Mitarbeiter in ihr Herz schloss.
Wir waren viel im Garten, haben noch einen Krimi gelesen und drei gehört. Haben Eis gegessen waren spazieren. Haben laut Mamas Lieblingsmusik gehört und mit Freunden Video telefoniert. Einige habe meine Mutter auch noch mal besucht. Es wurde dort gegrillt und es gab dort ein Konzert. Der Frisör, die Ergotherapie und die Physiotherapie kamen ins Zimmer.
Wir haben meiner Mutter noch zwei Wünsche vor ihrem Tod erfüllt. Und darüber war sie glücklich.

Der letzte Gang im Hospiz …
… ist der schwerste. Jeder muss das für sich selbst entscheiden wie weit er dort geht. Für mich war das ein Stück berufliche Normalität aus meiner Heimzeit. Aber es war doch etwas anders wenn es ein Familienmitglied ist. Meine Schwester ist über sich hinaus gewachsen. Und darauf bin ich stolz. Eine der Schwestern hat uns nach dem Tod unserer Mutter gesagt das sie ihr gesagt hat das sie stolz auf uns ist. Ich sagt jetzt mal, auf meine unverblümte Art, „Muddi du hast alles richtig bei uns gemacht.“
Das schöne ist das man bein sterben im Hospiz nie alleine gelassen wird. Da ist immer einer zum reden, zuhören oder der auf einen aufpasst. Man bekommt wirklich jeden, erfüllbaren, Wunsch erfüllt. Bei uns war es Rotwein, den hat Mama geliebt und raus mit dem Bett an die Luft.
Ich fand das Abschlussritual mit der Kerze sehr schön und das wir so lange bleiben durften wie wir wollen.
Gutes Personal ist teuer oder schlecht zubekommen.
Der Satz ist echt doof. Gutes Personal muss man einfach nur pflegen. Das weiß ich einfach schon durch meinen Arbeitgeber. Aber Pflege ist nicht nur Arbeitgeber Sache sondern auch Angehörigenarbeit. Es muss nicht immer das Geschenk zu Weihnachten oder am Ende eines Lebens sein. Sondern einfach mal ein nettes Wort oder Lob zwischendurch oder auch mal eine gute Onlinebewertung.
Wir haben unsere Hospiz Pflegekräfte auch zwischendurch gepflegt in dem wir mal Kaffee, Kuchen oder Süßigkeiten mitgebracht haben. An unserem letzten Tag im Hospiz haben wir dann noch mal eine richtig große Ladung Kuchen von unserem Lieblingsbäcker, der jetzt wohl auch der Lieblingsbäcker vom Hospiz ist, abgegeben. Wir haben uns bei allen Angestellen dort verabschiedet und bedankt und das lief auch nicht ganz ohne Tränen ab, bei allen Beteiligten.
Was ich unserem Gesundheitssystem ankreiden
Das man als Angehöriger oft alleine gelassen wird. Das viele Ärzte nicht einmal wissen was einem an Leistungen zusteht bzw wo man Hilfe bekommen kann. Oder das man auch noch bestraft wird wenn man selbst pflegt. Was sind schon 10 Tage Pflegeurlaub? Man bekommt in der Zeit nur 90 Prozent seines Gehaltes. Sicher es gibt Rentenpunkte. Aber die 10 Prozent meines Gehaltes fehlen mir. Rentenpunkte bekommt man auch nur wenn man mehr als 10 Stunden in der Woche pflegt. Ich darf aber nur 30 Stunden die Woche arbeiten um diese Rentenpunkte zu bekommen. Arbeite ich mehr als 30 Stunden bekomme ich die Punkte nicht. Auch wenn ich meine Angehörigen pflege. Wo ist da die Gerechtigkeit? Statt über die Legalisierung von Drogen sollte sich unser Gesundheitsminister mal darüber und wie die Pflege wieder als Beruf attraktiv wird Gedanken machen.
Würde ich das Hospiz noch mal in Anspruch nehmen?
Mit einem Wort? Ja.
Ich habe alles richtig gemacht in den letzten 18 Monaten und würde es jeder Zeit wieder so machen. Ich danke meiner Schwester, meinem Schwager, meinem Chef und den Mädels aus dem ambulanten Pflegedienst, meinen Mädels aus der Tagespflege, den Mädels und Jungs aus der Tagespflege meiner Eltern, meinen Nachbarn, Freunden, Bekannten, unserer Fachärztin, dem SAPV Team und allen Angestellten des Hospiz Teams. Ohne Euch hätte ich das nie geschafft.
Damit bin ich am Ende meines Vortrags angekommen. Herzlichen Glückwunsch ihr seit am Ende des Beitrags.

Am Ende meiner Straße ist ein Hospiz und ich hab durch einige Mitarbeiter einen Einblick. Es wird den Menschen in ihren letzten Tagen wirklich nur Freude gemacht. Das finde ich super!- Meinen Mann habe ich vor einem Dreivierteljahr zu uns nach Hause geholt zum Sterben. Unterstützt wurde ich von einem Wahlverwandten, der eine entsprechende Ausbildung hat (nachts) und vom SAPV-Team, das ich nur empfehlen kann. In seinen letzten Stunden war ich mit zweien unserer Töchter ganz allein bei ihm. Der Arzt, der den Totenschein ausgestellt hat, hat sich auch so viel Mühe gegeben mit der Beantwortung der Fragen meiner Enkelinnen ( damals 6 & 11 ).
Ich kann nur jedem raten, sich solche Unterstützung zu holen.
Leider kann man so was im Blog nicht offen erzählen, ohne dass anonyme Kommentare kommen, man habe seinen Partner „aus-“ bzw. „abgeschaltet“. Grade in einer solchen Situation trifft das einen sehr.
Dir wünsche ich alles Gute für die Trauerbewältigung.
Astrid
Das Problem ist das wir in Deutschland nur wenig über Abschiedskultur wissen. Oder auch wo wir uns Hilfe holen können. Wie gesagt ich musste mir auch dumm kommen lassen. Allerdings sind das immer Menschen die keine Ahnung haben. Es ist so wichtig darüber zu reden. Und Leser kann man im Blog sperren. Genauso wie man solche Ignoranten aus dem Leben aussperren kann.